Kanaren - Das Abenteuer geht weiter

Fuerteventura Wüste Landrover Autos Abenteuer

Erinnerst du dich noch daran, wie ich durchnässt und halb erfroren von meiner letzten Tour zurückgekehrt bin? Ich mich kaum noch. Zumindest kann ich mir das Gefühl grade nicht so wirklich vorstellen. Denn ich sitze in Mitten der Staubwüste Fuerteventuras, mit Blick aufs Meer und beobachte den paradiesischen Sonnenuntergang. Wie ich hier her gekommen bin? Das erfährst du hier.


Landung auf Fuerteventura

Der Flieger setzt zur Landung an. Wir verlieren an Höhe, bis wir schließlich durch die dicke weiße Wolkendecke gleiten. Wolken? Wer hat die denn bestellt?

Kaum habe ich den Flughafen auf Fuerteventura verlassen, ist der Himmel jedoch strahlend blau. Die Wolken bleiben wie von Zauberhand hinter der Küste über dem Meer zurück.

So habe ich mir das vorgestellt! Ich stehe in Mitten einer Wüstenlandschaft. Staubige Berge vor mir, dunkelblaues Meer hinter mir. Außer dem bisschen Grünzeug vor dem Flughafen wächst hier keine Pflanze. Wow, was für eine Landschaft! Ich habe das Gefühl als sei ich auf einem anderen Planeten gelandet.

Vom Flughafen wegzukommen ist leichter als erwartet. In Deutschland besteht bei den meisten Flughäfen gar keine Möglichkeit dies zu Fuß zu tun. Hier verlasse ich ihn einfach und stehe direkt an der Landstraße, die von Nord nach Süd einmal über die ganze Insel verläuft.

Und was für eine Landstraße! So stelle ich mir die Route 66 vor. Eine lange Asphaltbahn, die grade durch die Wüste läuft und sich um Ascheberge windet. Hier zu trampen ist ein Traum! Nicht nur wegen der tollen Landschaft und dem guten Wetter, sondern auch wegen den hilfsbereiten, freundlichen Fahrern. Trampen ist auf Fuerteventura nicht unüblich. Immer wieder sehe ich andere Tramper an der Straße stehen, die auch sofort mitgenommen werden.

So stehe auch ich nicht lange am Flughafen. Schnell finde ich einen netten Spanier, der mich ein ganzes Stück mit Richtung Süden nimmt. Für heute habe ich kein spezielles Ziel. Morgen will ich an der Costa Calma windsurfen. Diese liegt recht weit im Süden. Ich beschließe einfach ganz in den Süden nach Morro Jable zu trampen und mir dort einen Platz zum Schlafen zu suchen. Ich bin zwar nur mit Handgepäck unterwegs, aber Schlafsack und Isomatte mussten natürlich mit. Um Morro Jable soll eine traumhafte Berglandschaft liegen, perfekt zum Wandern. Also könnte ich dort einfach ein ganzes Stück in die Berge wandern und irgendwo meine Isomatte aufbauen.

Dazu kommt es jedoch nicht. Der Spanier, der mich zuerst mitgenommen hat, lässt mich an einer Bushaltestelle raus. Hier können Autos perfekt halten. Nach rund fünf Minuten höre ich ein Rumpeln und Knattern, wie von einem Panzer. Ein Panzer ist es dann doch nicht, aber nah dran. Ein uralter, rostiger Landrover kommt um die Ecke gebogen. Schon bevor er den Blinker setzt, bin ich mir sicher, dass er anhalten wird. Prinzipiell habe ich das Gefühl: Je verbeulter und verrosteter der fahrbare Untersatz ist, desto eher nimmt der Fahrer Tramper mit. Ich bin gespannt, wer diesen Wagen wohl fährt. Ich werde nicht enttäuscht, der Rover hält. Und auch mit dem Fahrer habe ich Glück. „Do you speak English?“ „Und deutsch.“ Der Fahrer, der aussieht, wie ein in die Jahre gekommener Hippie, stellt sich mir als Peter vor. Er ist aus Deutschland ausgewandert, weil ihn die Mentalität gestört hat. Er sagt, alle Menschen seien wie Maschinen, abgestumpft durch Arbeit und Fernsehen. Sie würden bloß existieren, um zu funktionieren. Er jedoch wollte leben. Inzwischen lebt er seit 27 Jahren auf Fuerteventura und ist hier glücklich. Auch seine Beifahrerin Monika, eine Bekannte von ihm, ist aus Deutschland ausgewandert. Sie lebt allerdings erst seit zwei Jahren auf der Insel. Weil der Landrover nur Sitzplatz für zwei bietet, fahre ich im Kofferraum mit. Hinten im Kofferraum des klapprigen Landrovers über die Staubpisten von Fuerteventura holpernd, empfinde ich so etwas wie Hippie-Nostalgie, auch wenn ich eine Ecke zu spät geboren bin, um auf diese Zeit zurückblicken zu können.

Peter ist kein Hippie. Er war geschäftlich sehr aktiv auf Fuerteventura. Er ist mit nichts gekommen und hat nur hin und wieder ein paar Reparaturen für kleines Geld durchgeführt. Schließlich ist er bei einem älteren Mann gelandet. Dieser saß im Rollstuhl und konnte den Alltag nicht mehr alleine bewältigen. Also hat Peter sich um ihn gekümmert und ihm Rampen ans Haus gebaut. Irgendwann hat der Mann ein Flugticket gekauft und ist spurlos verschwunden. Später hat Peter herausgefunden, dass ihm das komplette Land inklusive Haus überschrieben wurde. Auch etwas Geld hat der Mann dagelassen. Genug, damit Peter aus seinen gelegentlichen Schraubereien eine richtige Selbstständigkeit aufbauen konnte. Als er bekannter wurde, hat er weitere Leute eingestellt und angefangen, auf der ganzen Insel zu bauen und zu reparieren. Er selbst hat sich immer mehr aus seiner Firma zurückgezogen und schließlich angefangen sie wieder abzubauen. Nur ein Mitarbeiter ist geblieben. Er scheint für Peter mehr ein Freund, als ein Mitarbeiter zu sein. Er lebt auf Peters Land und fährt seinen Wagen. In naher Zukunft will Peter den Laden ganz dicht machen, aber für seinen Mitarbeiter soll gesorgt sein.

Peter sagt, er will nichts mehr vom Staat. Er will so unabhängig wie möglich sein. Er sagt, sein großes Ziel sei es, autark für sich leben zu können und zu wissen, dass er ohne viel Geld durchkommt. Daher hat er Solarzellen, ein kleines Windrad, einen Brunnen und ein kleines Klärwerk. In seinem Gemüsegarten baut er so ziemlich alles an, was er an pflanzlicher Nahrung braucht.

“Wo schläfst du eigentlich?"

"Weiß ich noch nicht. Ich habe einen Schlafsack bei und lege mich heute Abend einfach irgendwo in die Wüste." "Wenn du magst, komm mit zu mir. Ich muss nachher das Lager ausräumen, da kommst du mir ganz gelegen. Ich habe noch ein Zimmer frei."

Ich zögere nicht lange und nehme dankend an. Nicht, dass ich dringend ein Dach über dem Kopf gebraucht hätte, denn bei diesem Wetter könnte ich mich problemlos überall schlafen legen. Ich freue mich über das Angebot, weil ich Peter gerne näher kennenlernen möchte. Er scheint ein interessantes Leben zu führen und komplett mit sich und der Welt im Reinen zu sein. "Ich fahre jetzt noch was in mein Büro." Ein Büro? Peter sieht nicht wirklich nach einem Schreibtischmenschen aus. Ich bin gespannt, was mich erwartet. Unterwegs lassen wir Monika bei sich zu Hause raus.

Peters "Büro" ist eine Bar mit Meerblick, wo er fast jeden Tag vorbeischaut. Noch ehe wir uns an den Tisch setzen, wird Peter von allen Seiten begrüßt. Auch wenn er viel Wert auf Unabhängigkeit zu legen scheint, ist er alles andere als ein einsamer Aussteiger, abseits der Gesellschaft. Und heute erlebe ich ihn in besonders guter Verfassung. Er hat grade sein Lager erfolgreich verpachtet, was der Grund für die Ausräumaktion ist.

Während wir auf der Barterrasse sitzen, klingelt Peters Handy unentwegt. Da ich kein Spanisch spreche, verstehe ich nichts, aber er scheint unentwegt zu scherzen und lacht immer wieder. Seine Ausgelassenheit reißt mit. Bei einem Anruf jedoch verhält er sich plötzlich sehr seltsam. Peters Gesicht wirkt leer und ausdruckslos. Er sieht aus, als würde er jeden Augenblick vom Stuhl kippen. Dann beginnen seine Mundwinkel zu zittern und er strahlt bis über beide Ohren. Als er auflegt, wischt er sich die Freudentränen aus den Augen. "Auf diesen Tag habe ich seit über zwei Jahren gewartet und nun ist er da.", beginnt Peter seine Erklärung mit bebender Stimme. Auf seinem Grundstück hat er ein Haus gebaut, dass er vermietet. Die Mieterin hat seit über zwei Jahren keine Miete gezahlt und Peter hat sie einfach nicht aus dem Haus bekommen, obwohl die Nachmieterin bereits vor einem Jahr die Anzahlung geleistet hat und seitdem auf dem Einzug wartet. Peter sagt, die letzten zwei Jahre seien die Hölle auf Erden gewesen. Die ständige Rennerei zum Gericht hat ihn zermürbt. Jetzt jedoch hat er den festen Termin: In vier Tagen kommt der gerichtliche Schlüsseldienst und holt ihm sein Haus zurück. Das der gerichtliche Schlüsseldienst derselbe ist, den er immer anruft, wenn die Kunden seiner Baufirma ein Problem haben, weshalb er die Türöffnung für ihn zum Dank kostenlos übernimmt, sieht er als zusätzliches Zeichen, dass jetzt alles gut wird und er endlich nach über zwei Jahren sein Haus wieder betreten kann.

Als wir zu Peter nach Hause kommen, lerne ich auch die Nachmieterin Katrin kennen. Sie muss irgendwas Ende 20 sein und hat blonde Ringellocken, die man sich nur schwer ohne ein lachendes Gesicht in ihrer Mitte vorstellen kann. Peter hat ihr angeboten, ihr die Anzahlung zu erstatten, da sie nun schon ein Jahr auf den Einzug wartet. Stattdessen, wartet sie bei Peter darauf, dass ihr Haus frei wird. Die beiden verstehen sich bestens. Da Peter alleine lebt, hat er einige Zimmer frei und so ist immer etwas Leben im Haus. Das spüre ich sofort, denn als wir reinkommen, sitzt Katrin mit der Gitarre auf der Terrasse. In meinen Augen füllt nichts ein Haus so mit Leben, wie jemand der Musik macht.

Als ich auf Peters Terrasse komme, stockt mir der Atem. Ich kann kaum beschreiben, was ich fühle. Der unversperrte Blick aufs Meer, der traumhafte Garten, die Sonne, die Gitarrenmusik… Es ist ein Gefühl des Ankommens. Nicht wie das Ankommen an einem fremden, unbekannten Ort. Es ist mehr, als würde ich Nachhause kommen.

Katrin legt die Gitarre schnell wieder weg. Sie hat erst vor zwei Wochen mit dem Spielen angefangen und kann erst zwei Lieder. Als ich erzähle, dass ich auch Gitarre spiele, fragt sie mich, ob ich schöne, anfängertaugliche Lieder kenne, die auch ohne Gesang gut klingen. Da fällt mir spontan Nothing Else Metters ein. Ein Gitarrenklassiker, den so ziemlich jeder Gitarrist mal gelernt hat. Eigentlich will ich ihr nur den wirklich einfachen Anfang zeigen, doch Katrin ist so lernfreudig, dass sie mich bittet, ihr das Stück weiter und weiter beizubringen, sogar die schweren Stellen. Bei jedem komplizierten Griff und Zupfmuster versucht sie nachzumachen, was ich ihr zeige, scheitert, flucht aber gibt nicht auf und versucht es erneut. Währenddessen schreibe ich ihr die Tabs in ihr Notizbuch.

Katrin macht sich wirklich gut. Da sie nie aufgibt, auch wenn sie eine Stelle nicht gleich beim ersten Mal hinbekommt - oder bei den ersten 100 Versuchen - beherrscht sie am Abend fast das ganze Intro. Auf der Terrasse sitzend und Gitarre spielend kommt dieser verdammt schnell. Ich lasse Katrin etwas alleine üben, schließlich will ich Peter noch mit dem Lager helfen.

Bevor es aber ans Ausräumen geht, führt Peter mich noch etwas auf dem Grundstück herum. Neben seinem Gemüsegarten und seiner Energieversorgung in Form von Windrad und Solarzellen, zeigt er mir seinen Lagerfeuergrill, eine geniale Konstruktion, die ich so noch nie gesehen habe. In der Mitte einer großen Runde an bunt zusammengewürfelten Sitzmöbeln, ist eine Lagerfeuerstelle, eingegrenzt durch Steine, halb von einem schwenkbaren Grillrost bedeckt. Auf der einen Hälfte der Steinrunde wird ein Lagerfeuer angefacht. Ist dieses heruntergebrannt, wird der Grillrost über die Glut geschwenkt und das Feuer auf der anderen Seite angefacht um Glutnachschub zu produzieren. Genial! Ich hoffe, dass ich das Teil noch in Aktion erleben werde.

Auch zeigt mir Peter seine Werkstatt, seinen Abstellraum, den Anbau, den er noch ausbauen will - an Platz mangelt es ihm wirklich nicht - und sein „Ersatzteillager“ in Form von viereinhalb eingestaubten Schrotthaufen, die wohl mal Autos waren und in die Landschaft passen, als wären sie ein Teil der Natur.

Auf dem Weg zum Lager stutze ich. Ich entdecke Löcher im Boden. Große Löcher. Keine natürlichen Kuhlen sondern flach abfallende Tunnel. Fast wie ein überdimensionierter Kaninchenbau. Ich gehe näher ran…

und springe geschockt zurück, als aus der Dunkelheit zwei Augen zurückstarren. Ein staubig-brauner Hund zwängt sich aus der Öffnung, dann noch einer und noch einer. Fünf sind es insgesamt. „Das ist mein Rudel.“, erklärt Peter strahlend, während die lebhaften Hunde mich aufgeregt beschnüffeln. „So, und jetzt weg mit euch.“, lacht Peter und bedeutet den Hunden mit einer Handbewegung, Platz zu machen. Sie gehorchen sofort und fangen an Kreuz und Quer durch den Garten zu stürmen.


Das „Lager“ besteht aus vier wohnzimmergroßen Räumen und einem Innenhof zwischen diesen. Es ist vollgestopft mit Kram, den Peter aus Häusern gerettet hat, die er für seine Kunden entrümpelt hat und den man - in seinen Augen - noch gebrauchen kann. Darunter sind rostige Schubkarren, um die 10 alte Röhrenfernseher, Tische, Stühle, Schränke und jede Menge Rohmaterial. Uff, damit habe ich nicht gerechnet. Das hier ist keine Aufgabe für einen Nachmittag, sondern für einen Monat. Aber ich werde mein Bestes geben und gucken, wie weit ich komme. „Wo soll ich den Kram hinbringen?“ „Ach weißt du, ich glaube, ob du jetzt anfängst oder nicht, macht keinen wirklichen Unterschied. Du siehst ja, wie es hier aussieht.“ „Ach was, fertig werde ich damit heute wohl nicht, aber ich gebe mein Bestes.“ „Lass nur, du hast dich heute schon als Gitarrenlehrer verdient gemacht.“

So erledigt sich das mit der Ausräumaktion also. Peter erzählt mir, dass er es zu schade fände, den Kram wegzuschmeißen und da er den Platz ja hat, hat er begonnen alles einzulagern. Sein Traum ist es, ein gemütliches Café aufzumachen, wo die gesamte Einrichtung zum Verkauf steht. So könnte man gemütlich einen Kaffee trinken und wenn man dabei Gefallen an der Couch findet, auf der man sitzt, nimmt man sie gleich mit. Ein interessantes Geschäftsmodell, besonders weil viele hier nur für ein Jahr nach dem Studium hinziehen. So müsste man keine Unsummen für die Inneneinrichtung ausgeben.

Inzwischen ist die Sonne halb untergegangen. Für Peter die schönste Zeit des Tages. Ich weiß sofort, was er meint. Die untergehende Sonne über dem Meer taucht diesen Ort in ein unwirkliches Licht, gelblich orange reflektiert vom Dunst am Horizont, silbrig von den Wellen des Meeres.

Zeit für ein gemütliches Bier auf der Terrasse. Hier lerne ich gleich noch ein neues Gesicht kennen. Peter nimmt das mit dem Leben im Haus sehr wörtlich. Frederike, Mitte 20 mit glatten schwarzen Haaren und Surfergirl-Figur, ist ebenfalls eine Deutsche, die nach einer Reise auf Fuerteventura hängengeblieben ist. Als sie sich von ihrem Freund, mit dem sie hergekommen ist getrennt hat, wusste sie nicht wohin. Jetzt lebt sie seit zwei Wochen bei Peter. Seine beiden „Engel“ nennt er sie scherzhaft. „Eine fehlt noch.“

Wir sitzen lange auf der Terrasse, reden und trinken Bier. Die Luft ist kühl, aber auf angenehme Weise. Genau richtig.

Ich kann verstehen, warum hier so viele Deutsche hin auswandern. Das Klima, die Landschaft und die Mentalität sind hier anders. Alles scheint hier so einfach zu sein. Ich habe das Gefühl, als würden Sonne und Meer den Leuten hier geben, was sie in Deutschland in Sportwagen und Fernsehern suchen. Als würde das bloße Leben an diesem Ort glücklich machen. Und glücklich bin ich hier auf jeden Fall.

Was für ein spannender erster Tag auf Fuerteventura. Und das ist erst der Anfang! Allerdings werde ich die anderen Artikel nicht hier veröffentlichen. Stattdessen werde ich die komplette Reise als E-Book veröffentlichen. Dieses wird auf Amazon kostenpflichtig sein, aber keine Angst. Meine Newsletter-Abbonenten werden es vorab gratis bekommen.

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