My Final Destination 3 - Das Ende einer Ära

Dies ist der definitiv letzte Bericht aus 6 einfach unvergesslichen Wochen. Trampen, Wandern, Freude, Leid. So viel liegt hinter mir. Diese Reise hat mich verändert. Ich kann mir das Leben in Deutschland kaum noch vor stellen. Es kommt mir vor, als blicke ich auf ein vergangenes Leben zurück.
Aber noch ist es nicht vorbei. Auch in den letzten Tagen habe ich noch so viel erlebt, dass ich mich kaum entscheiden kann, worüber ich schreibe.

Nachdem ich zuvor schon gelernt habe, was "Hochzeit in Süditalien" heißt, freue ich mich um so mehr, dass wir auf einer Hausparty von Freunden meiner Gasteltern eingeladen sind. Eins steht fest: Langweilig wird es sicher nicht.

Ich werde nicht enttäuscht. Der "Anlass" für diese Party ist, dass in dieser Nacht vermehrt Sternschnuppen zu beobachten sind, getreu dem Motto: "Und wenn es nix zu feiern gibt, dann feiern wir halt, dass es nix zu feiern gibt." Nach der typischen Fressorgie wird getanzt, gesungen und gelacht. Ganz locker, ausgelassen und ungekünstelt. Die Leute sind wohlgemerkt noch nüchtern.

Die Stimmung ist einfach mitreißend, weshalb ich mich schon kurze Zeit später in einem Tanzreigen wieder finde, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er traditionell italienisch oder eine Nachmache des Kölner Karnevalstreibens ist.
So oder so: Ich habe höllisch viel Spaß! Alle sind gut gelaunt und jeder tanzt. Grinsend stelle ich mir die Reaktionen in Deutschland darauf vor, wenn man seine Eltern und Großeltern mit auf die Hausparty bringt und mit ihnen auf der Tanzfläche abgeht.

Als die Nacht spät wird und alle sich müde getanzt haben, tritt eine fast schon klischeehafte Lagerfeuerstimmung ein. Die Dachterrasse ist mit Kissen und Decken ausgelegt. Es wird gemeinsam in die Sterne geschaut, der ein oder andere kurze Blick auf eine Sternschnuppe erhascht. Dabei wird gesungen und ich schnappe mir eine Gitarre.

Ich fühle mich so zu Hause, wie ich mich zu Hause nur selten fühle.

Solche Nächte verbringe ich hier unten im Süden einige.

Und jede berauscht mich aufs Neue!
Aber so, wie die Morgende dem Strand und die Abende der Geselligkeit vorbehalten sind, so sind die Nachmittage für Action da.

Kart fahren in der warmen Nachmittagsluft Italiens sollte man sich nicht entgehen lassen! Mit durchgetretenem Gas heize ich um die Kurven und drehe mich dabei mehr als einmal um 360°.

Bei einer anderen Form der Nachmittagsbeschäftigung verschlägt es mir glatt die Sprache: Wir gehen Wandern im Wald! Ja, du hast richtig gelesen! Bisher habe ich das Verhältnis der Italiener in Bezug auf Natur für äußerst gestört gehalten. So wollten mich die nette Familie in Gargano beispielsweise nicht draußen schlafen lassen. Die Bären und Wölfe hätten mich sonst schließlich gefressen.

Ok, ich nehme alles zurück.
Das Verhältnis der Italiener zur Natur ist gestört!
Im Wald erwartet uns kein Wanderweg, sondern ein Klettergarten, mit Animation und allem, was dazu gehört. Das Angebot richtet sich jedoch mehr an Kinder. Also kehren wir um.

Ich denke an die seltsamen Reaktionen. In Bari, auf die Schabe, in Villa Nova auf den Nashornkäfer... so etwas macht den Italienern hier Angst, während sogar kleine Mädchen Tintenfische, Muscheln, Garnelen und Seeigel verspeisen. Ein Italiener in Deutschland würde sich wohl über so manche Reaktion auf diese Delikatessen wundern.

Andere Länder, andere Sitten!

Auch wenn ich es liebe, neue Gerichte kennen zu lernen, nimmt besonders mein Gastvater Rücksicht auf meine deutschen Ess- bzw. Trinkgewohnheiten. Er ist Hobby-Bierbrauer.
In Italien gibt es nicht so viele Biertrinker. Um so begeisterter ist er, einen Deutschen zu Besuch zu haben. Er ist so begeistert, dass ich seit meiner Rückkehr keinen Tropfen Bier mehr angerührt habe.

Neben den Partys, haben wir auch viele Abende in Restaurants verbracht. Italienisches Essen ist einfach himmlisch!
Neben dem Kennenlernen neuer Spezialitäten, z. B. den einfach himmlisch schmeckenden Panzerotti, frittierten Teigtaschen, gefüllt mit geschmolzenem Mozzarella, die als Fastfood an jeder Straßenecke verkauft werden, lerne ich noch etwas anderes: Den Cup Song. Ich bin etwas schwer von Begriff, weshalb ich ihn mir von meiner Lehrerin (Davides Schwester Livia) gaaaaaanz langsam vor machen lasse. Das sah dann in etwa so aus.

Es dauert ein wenig, aber schließlich habe ich es raus und wir trommeln gemeinsam auf unseren Gläsern. Statt grimmig zu schauen, wegen der unverschämten Störung, lächeln die Leute am Nachbartisch freundlich. Einer von ihnen steigt sofort in unser Getrommel ein.


Wendel-Treppe Ruine Süditalien Bari Villa Nova Haus Immobilie
Zugegeben, etwas baufällig ist die Treppe schon.

Generell liebe ich die Geselligkeit der Italiener. Grade die Abende. An einem Abend lerne ich die Großeltern von Davide kennen, an einem Anderen spielen wir Karten mit all seinen Sommerfreunden, nach dem wir stundenlang am Meer entlang geradelt sind. Die Radtour weckt in mir Abenteuerlust pur. Die ganze Küste ist übersät mit Bauruinen. Beim Bau muss ein Mindestabstand zum Meer eingehalten werden. Als dies beim Regierungswechsel auf einmal kontrolliert wurde, wurden etliche Bauprojekte eingestellt.

Während die blutrote Sonne langsam im Meer versinkt, träume ich davon, wie ich eine der Ruinen beziehe und von ihr aus die Gegend erkunde.

Ein Abend ist mir noch besonders in Erinnerung geblieben. Wieder einmal gibt es eine Party. Wieder  einmal sind die Sternschnuppen der Anlass.
Diesmal treffen wir uns zum Grillen am Strand.

Nachdem ich schon beeindruckt davon war, wie die Gleichaltrigen von klein auf jeden Sommer zusammen verbringen, bin ich um so bewegter, als ich realisiere, dass die Freunde meiner Gasteltern, mit denen wir fast jeden Abend feiern oder ins Restaurant gehen, ebenfalls ihre Sommerfreunde sind. Und das von klein auf. Jeden Sommer verbringen sie zusammen, auch wenn manche inzwischen in Österreich oder den USA wohnen. Diese Vertrautheit und Offenheit, mit der zusammen gelacht und Spaß gehabt hat, lässt mich nicht mehr los.

 

Ich empfinde nichts als Dankbarkeit, daran teil haben zu dürfen.

 

Der Abend soll nie enden. Italien soll nie enden. Das ist meine Welt, hier gehöre ich her. Wozu sollte ich zurückkehren? Was hält mich schon in Deutschland? Aber würde ich in Sesshaftigkeit wirklich glücklich werden? Auch hier endet der Sommer und dann beginnt auch hier die Alltagsroutine. Nein, das Reisen ist es, was mich erfüllt, das Neue, nicht Italien und auch kein anderes Land der Welt.
Es wird spät. Wir schlafen am Strand ein. Ein letztes Mal. Ein letztes Mal verbringe ich den Abend mit den Italienern. Ein letztes Mal blicke ich aufs Meer hinaus, auf dem sich glitzernde Sterne in brechenden Wellen spiegeln. Das Gefühl des Abschiedes überwältigt mich. Gleichzeitig fühle ich eine seltsame Wärme und Erfüllung. Ich fühle etwas, das größer ist, als der Moment. Es ist mein Lebensgefühl. Abschiede gehören zu meinem Lebensstil. Beim Abschied nach vorne blicken können, los lassen können. Das ist die letzte Fessel vor der ultimativen Freiheit und nun durchschlage ich sie.


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Dankesehr!

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Kommentare: 11
  • #1

    Karin (Montag, 03 November 2014 10:19)

    Deine Berichte lesen sich einfach wunderbar. Sie machen einen auch deutlich, das die Mentalität der Italiener so ganz anders ist. Wir in Deutschland dürften uns dort so einige Scheiben abschneiden... aber umgekehrt genauso.
    lg

  • #2

    jannislife (Montag, 03 November 2014 14:24)

    Vielen Dank, Karin :)
    Das sehe ich ganz genau so. Die Italiener schwärmen von Deutschland, wir schwärmen von Italien. Jede Kultur hat ihre Vor- und Nachteile. Das macht es ja so spannend :)

    LG Jannis

  • #3

    Die Rabenmutti (Montag, 03 November 2014 19:42)

    Ichmuss ja sagen, ich habe großen Respekt vor dir. Einfach so mit einem Rucksack in die Welt herausmarschieren und Abenteuer erleben, ist ein großer Traum, den es aber nicht so viele wagen zu realisieren.
    Gerade Italien wäre eig. ein spannendes Reiseziel für mich, um meine Wurzeln zu erfrorschen - nicht die Touri-Seit, sondern das echte Leben dort....
    Manchmal wünschte ich, ich könnte mich in deinem Rucksack verstecken und einfach mitreisen :)

    Liebe Grüße
    Yasmin

  • #4

    jannislife (Montag, 03 November 2014 20:47)

    Hey, Yasmin!
    Danke für das nette Feedback.
    Ich würde dich glatt mitnehmen, dann brauchst du nur noch eine Rückentrage ;)
    Wage das Abenteuer ruhig mal, am Ende bereut man sowieso nur, was man NICHT getan hat.

    LG Jannis

  • #5

    Mel (Dienstag, 04 November 2014 14:22)

    Hey Jannis,

    ein toller Bericht. Ich liebe solche Abende, die man noch spät abends auf der Terasse oder am Strand verbringen kann.

    Ich bewundere dich auch für deinen Mut. Einfach so losfahren und dann per Anhalter und nicht wissen wo man schlafen soll, ist schon toll. Würde ich mich nie trauen. Aber ansonsten kann ich deinen Drang des Reisens super gut verstehen. Ich reise auch viel, wenn ich die Zeit finde. Dieses Weihnachten wird es dann Hongkong mit der Familie meines Freundes werden.

    Bis zur nächsten Reise.

    Lg Mel

  • #6

    jannislife (Dienstag, 04 November 2014 16:47)

    Solche Abende sind wirklich die schönsten :)

    Super, viel Spaß in Hongkong! Neues entdecken ist immer ein großes Abenteuer, egal ob mit Zelt oder vom Hotel aus.

    LG Jannis

  • #7

    Die Rabenmutti (Dienstag, 04 November 2014 20:07)

    Hey Jannis,
    vielleicht wage ich mich das tatsächlich mal, aber erst, wenn meine Maus älter ist ;)
    Sie ist erst 14 Monate alt und ich finde, dass man für solch ein Abenteuer entweder allein, oder mit einem deutlich älteren Kind losziehen muss. Sonst ist man einfach zu sehr eingeschränkt. Und nichts würde mich mehr abschrecken, zu sehen, wie andere Mamis in anderen Kulturen zu Hause bleiben müssen :P
    Aber, wenn du mich mitnimmst, möchte ich bitte getragen werden, ja? :)

    LG
    Yasmin

  • #8

    jannislife (Dienstag, 04 November 2014 21:51)

    Sorry Yasmin,
    auf der nächsten Reise trage ich schon mein Schatzi (meine Gitarre) :)
    Naja, Trampen ist mit kleinem Kind sicher nicht das Richtige, aber eine meiner ersten Erinnerungen ist der Campingurlaub am Lago Maggiore, bei dem mein Vater mich immer in der Rückentrage mit auf alle Berge genommen hat.

    LG Jannis

  • #9

    Die Rabenmutti (Mittwoch, 05 November 2014 20:08)

    Dein Schatzi ist eine Gitarre?
    Ai, dann lieber doch verheiratet und mit Kind :P
    Hihi, mit so ner Gitarre kommt sicher romantische Stimmung auf... ich denke da sofort an Lagerfeuer, Cowboyhüte und Marshmallows.

    Camping ist schon anvisiert. Bin selbst ein Campingfreak, nur mein Mann muss überzeugt werden :) Für Bergwanderungen fehlt uns aber wohl beiden die Ausdauer *fg*
    Das wird eher so ein Wald- und Wieseausflug

  • #10

    Lars (Sonntag, 26 April 2015 22:01)

    Hey Jannis,
    wirklich interessanter Reisebericht. Habe mir deine ganzen Artikel durchgelesen, aber dein Schreibstil macht es echt nicht langweilig ;). Hier sieht man, dass man auch mit wenig Geld viel erleben kann.
    Viele Grüße
    Lars

  • #11

    Jannis (Dienstag, 28 April 2015 16:08)

    Hey Lars,
    schön, dass es dir gefallen hat. Ich bin grade wieder auf Tour, wenn du magst, kannst du also direkt weiterlesen. Ich setze den Link mal unten an den Artikel.

    Viele Grüße
    Jannis