"No Autostop" - Nach Rom oder so

iPhone Warnung Anzeige Hitze Wärme Temperatur Das iPhone muss abkühlen, bevor es benutzt werden kann.
Auch mein Handy bestätigt mir: Es ist warm.

Aus dem Tropenklima krieche ich ins Freie. Gestern hat der Regen mein Zelt und alles darin durchnässt, jetzt steht die Sonne voll darauf.

Ich breite meinen Schlafsack über der Hängematte in der Sonne aus und trockne das Zelt grob von innen ab. Bis 12Uhr, wo der Zeltplatz geräumt sein soll, werden meine Sachen nicht getrocknet sein, also frage ich an der Rezeption, ob ich noch eine weitere Stunde bleiben kann.

Kein Problem, nur zahlen muss ich vor 12.

Zeltplatz Rimini Camping Internationale

Hier erwartet mich eine böse Überraschung.

Ausgerechnet habe ich mir 18€. Über die günstige Übernachtungsmöglichkeit habe ich mich gefreut. Vielleicht hätte ich mir die Preistabelle doch etwas besser anschauen sollen. Für die zwei Nächte zahle ich 41€ statt der erwarteten 18.

Die erste Nacht, die 9€ gekostet hat war noch Nebensaison. Die zweite Nacht war bereits Hauptsaison und hat 11€ gekostet. Das war aber leider nur der Preis für das Zelt und nicht der Preis für eine Person mit Zelt, wie ich es verstanden habe. Also kommen noch 9,50€ für die erste Nacht und 11,50€ für die zweite Nacht drauf.

Zähneknirschend bezahle ich. Wenn ich so weiter mache, komme ich nicht mehr bis Bari.

Dafür ist meine Ausrüstung eine Stunde später wieder so gut wie trocken. Zeit aufzubrechen, schließlich will ich heute noch bis Rom kommen.

Fünf Stunden später, davon vier wartend und eine laufend habe ich es immerhin bis zu einer Raststätte, sieben Kilometer vom Campingplatz entfernt geschafft. Stunden lang sind grimmig guckende Touristen an mir vorbeigefahren. Sie lassen sich ihr jährliches all inclusive Sonnenbad hunderte, manchmal tausende Euro kosten. Für alternative Reiseformen haben sie nichts übrig.

Von der Raststätte aus nimmt mich zum Glück recht schnell ein Mann mit bis zur Autobahnauffahrt. Er fährt nicht auf die Autobahn. Er hat nur kurz in seiner nahe gelegenen Feuerwerksfabrik nach dem Rechten gesehen und ist nun auf dem Heimweg. Er erzählt, dass er in den Sommermonaten gut an den Touristen verdient. Alle paar Tage veranstaltet irgendein Hotel ein großes Feuerwerk für seine Gäste. Auch das Feuerwerk, dass wir zwei Tage zuvor vom Strand aus gesehen haben, verdanken wir ihm.

Nur ein paar Minuten später bin ich da. Endlich an der Auffahrt! Von hier würde es ein Leichtes sein, nach Rom zu kommen.

Autobahn-Auffahrt Rimini Sonnenuntergang

Meine Euphorie legt sich 3 Stunden später.


Die Sonne geht langsam unter. Hier komme ich heute nicht mehr weg. Mit der untergehenden Sonne beginnt die Zeit der Mücken. Dutzende schwarz-weiß gestreifte Asiatische Tiegermücken bedecken meine Haut. Widerstand ist zwecklos. Wo sie saßen Schwillt meine Haut zu Beulen an, mit einem Durchmesser von ca. sieben Zentimetern. So heftige Reaktionen habe ich sonst nicht auf Mückenstiche. Schnell flüchte ich mich in mein Zelt, dass ich heute nur als Biwaksack benutze. Ich will möglichst wenig auffallen. Das Trampen, ja schon das Betreten der Auffahrt ist strafbar. Das Wildcampen sowieso.

Im Gestrüpp des Grünstreifens falle ich unter dem Laubgrünen Zeltstoff kaum auf. Nur einen Haken hat das Ganze: Das Fliegengitter liegt direkt auf meinem Gesicht. Die Mücken setzen sich einfach von außen auf das feine Netz und stechen mich durch die Maschen durch.

Blick durch schwarzes Moskitonetz in den freien Himmel

In der Nacht wache ich auf. Ich betaste mein Gesicht. Es fühlt sich fremd an. Heiß glühend und unförmig zerbeult. Mit dem Fliegengitter gleich auf der Haut in einer Mückengegend schlafen? Beschissene Idee!

Biwakieren Rimini Autobahnauffahrt

Zum Glück habe ich gutes Heilfleisch.


Am nächsten Morgen betaste ich erneut mein Gesicht. Nur noch winzige, kaum spürbare Ausbeulungen um die Einstichstelle sind geblieben.

Ich bin normalerweise kein eitler Mensch, aber am meisten freut mich grade, dass man von den Stichen nichts mehr sieht, denn wenn man aussieht wie „Das Ding“ von den Fantastic Four, ist es zweifellos schwierig mitgenommen zu werden.

Schwierig genug ist es aber auch so.

NO autostop Italien trampen Autobahn-Auffahrt

Ich stelle mich wieder an die Auffahrt. Unterdessen denke ich fieberhaft nach, was ich anders machen könnte. Nach gut zwei Stunden des Wartens gehe ich ein Stück weiter von der Auffahrt weg, zu einem kleinen Parkplatz, wo man noch besser halten kann, doch auch hier stehe ich ohne Erfolg. Ich beschließe, die Auffahrt ganz zu verlassen und mich irgendwo ein gutes Stück vor das „NO autostop“ Schild zu stellen.

Landstraße Italien Rimini Adria

Da mein Magen knurrt mache ich noch einen kleinen Spaziergang in der Hoffnung einen Supermarkt zu finden. Stattdessen finde ich einen kleinen Obststand. Obststände, wie diesen gibt es hier an der Straße an jeder Ecke. Als ich dort ankomme, finde ich eine dösende, ältere Frau vor. Sie scheint den Stand nur zu bewachen, denn als sie mich erblickt ruft sie gleich nach ihrer Tochter, die dann auch sofort aus dem Haus gerannt kommt.

Die Preise sind leider andere als im Supermarkt. Ich belasse es fürs Erste bei einer Banane, die einen Euro kostet. Ich unterhalte mich noch ein wenig mit der Verkäuferin. Sie fragt mich wo ich herkomme, wo die Reise hingehen soll und wie ich hier hergekommen bin. Alles auf Italienisch, da die Dame, wie die meisten Süditaliener kein Bröckchen englisch spricht. Immer wieder bin ich überrascht, wie Englischunterricht so schlecht sein kann. Kann man eine Sprache, die man Jahre lang in der Schule gelernt hat echt wieder so ganz und gar vergessen?


Aber inzwischen bin ich ganz gut im Training.


Der Smalltalk fällt mir leicht.

Als ich ihr von meiner Reise erzähle macht sie große Augen. Selbst von Italien hat sie in ihrem ganzen Leben weniger gesehen, als ich auf dieser Reise. Sie scheint es nicht zu stören, aber mich macht es traurig. Was für einen Blick auf die Welt man wohl hat, wenn man so lebt?

Die Frau ist sehr hilfsbereit und fragt, ob ich irgendetwas brauche. Eine neue Pappe wäre nicht schlecht. Ich möchte es mal mit einem Zwischenziel auf dem Weg nach Rom versuchen. Vielleicht fühlen sich Leute, die nicht nach Rom fahren einfach nicht von einem Schild angesprochen, auf dem Rom steht.

Zu der Pappe bekomme ich noch zwei Flaschen Leitungswasser und einen großen Beutel Obst.

Ich bedanke mich und mache mich wieder auf den Weg in Richtung Auffahrt.

Macbook Air Café Rimini Digitales Nomadentum arbeiten

Weiterhin bleibe ich erfolglos und langsam schwinden meine Kräfte. Vom stundenlangen Stehen in der prallen Sonne wird mir schwindelig.

Ich gehe die Straße entlang bis ich ein Kiosk finde. Ich esse ein Eis und genieße die Kühle des Raumes.

Auch eine Steckdose gibt es hier. Die Gelegenheit, mein leeres Handy aufzuladen!

Während ich neue Kräfte sammle, sortiere ich Fotos der letzten Tage und lade den nächsten Blogartikel hoch.

Trampen sud Süden Pappe Schild

Gestärkt mache ich mich wieder auf den Weg, aber nicht Richtung Autobahnauffahrt. Ich stelle mich wieder an die Straße Richtung Süden.


Schweren Herzens beschließe ich, Rom auszulassen.


Für diese Stadt werde ich mir einmal gesondert Zeit nehmen. Stattdessen werde ich jetzt ohne Eile von Stadt zu Stadt am Meer entlang nach Süden trampen und die letzten ein bis zwei Wochen bis zu meinem Rückflug in Bari verbringen.

Leider habe ich auch damit zunächst nicht nennenswert mehr Erfolg. An einer Raststätte esse ich ein Sandwich. Hier fällt mir eine Packung Taralli auf. Das Gebäck ist typisch für den Süden und bestärkt mich in meinem Plan.

Beach-Volleyball Rimini Italien Adria Süden Italiener

Kaum habe ich die Raststätte verlassen, hält ein Auto. Ich bin überrascht, ausgerechnet von zwei allein reisenden Frauen mitgenommen zu werden, da die Meisten hier Angst vor Fremden am Straßenrand zu haben scheinen.

Die Insassen sind Alessandra und ihre Tochter Giulia. Giulia ist letztes Jahr selbst mit ihrem Freund getrampt. Zwar nur eine kleine Zwei-Tages-Strecke aber sie kennt das Gefühl, am Straßenrand zu stehen und einfach nicht weg zu kommen sehr gut.

Weit fahren sie nicht. Sie sind nur auf dem Rückweg vom Einkaufen zu ihrem Ferienhaus in Rimini. Weit würde ich heute aber ohne hin nicht mehr kommen. Als sie mir anbieten, mich mit in ihr Ferienhaus zu nehmen, nehme ich an.

Ich bin also wieder in Rimini, wo ich gestern aufgebrochen bin.


Aber heute habe ich ein festes Dach über dem Kopf!


Mit Giulia, ihrem Bruder und ihren Freunden gehe ich zum Strand, wo wir Schwimmen, Volleyball spielen, einen Drink an der Strandbar nehmen… alles das, was die Italiener eben so machen.

Rimini Clique Italiener

Als wir vom Strand zurück sind ist das erste, was ich mache duschen. Dann wasche ich meine Klamotten. Nach der prallen Sonne am staubigen, nach Abgasen stinkenden Straßenrand ein erhebendes Gefühl.


Wir bleiben nicht lange, sondern treffen uns gleich wieder mit Giulias Freunden. Lange ziehen wir um die Häuser, reden lachen und genießen die laue Abendluft, bevor ich erschöpft ins Bett falle.


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