Ich wache auf. Keine Rinder haben mich geweckt, ich bin ausgeschlafen. Wibke schläft noch, also bleibe ich regungslos liegen. Es ist noch kühl, aber nicht kalt. Dank der milden Nacht konnten wir das Zelt offen lassen.
Es beginnt leicht zu nieseln, doch es hört sicher gleich wieder auf. Wir warten besser mit dem Einpacken des Zeltes, bis es wieder trocken ist. Unterdessen klopfe ich gegen die Zeltdecke, bis die
darauf liegende „Türe“ hinab rutscht und den Zelteingang wie ein Vorhang verschließt.
Eine Stunde später schüttet es wie aus Eimern und der Wasserspiegel im Zelt steigt über die Höhe der Matratze. Nicht, dass das einen Unterschied machen würde, wir sind so oder so
durchnässt bis auf die Knochen, doch jetzt ist klar: Wir müssen raus hier!
Um unser Lager aufzuschlagen, sind wir am Vortag ein Stück zurückgegangen, also kennen wir den Wegabschnitt vor uns bereits. Mir ist ein kleiner… ja was fiel mir eigentlich auf? Ich würde es am
ehesten mit Geräteschuppen beschreiben, doch das trifft es nicht ganz. Es ist eigentlich nur ein Dach mit Gerümpel drunter. Egal, Hauptsache trocken! Hierhin flüchten wir uns und essen das
verbliebene Brot. Genug gegen den ersten Hunger.
Leider bringt auch so ein Dach nicht viel zusätzliche Wärme, wenn man bereits tropft wie ein Hund nach einem ausgiebigen Bad. Leider können wir uns nicht so einfach trocken schütteln. Als der
Wind auffrischt, fühlen wir uns wie zwei Blöcke Eis.
Wir müssen weg hier! Erneut versuchen wir es, bei den kleinen Häuschen neben der Straße, erneut ohne Erfolg. Erneut gehen wir zur Bar, erneut wird uns geholfen. Wir haben ein schlechtes Gewissen, erneut um Hilfe zu bitten, wo uns doch bereits gestern so reichlich geholfen wurde. Eigentlich wollen wir uns nur etwas an der Heizung aufwärmen, bevor wir uns bis zum nächsten Ort durchkämpfen.
Letztlich sitzen wir hier Stunden. Immer wieder legt die freundliche Gastwirtin uns Obst und Marmeladenbrote nach und gießt frischen Tee auf. Sie zeigt uns den Heizraum. Wir rennen schnell durch den Regen um Zelt, Schlafsack und Matratze zu holen, die wir zurückgelassen haben und breiten sie in dem warmen, trockenen Raum aus.
Durch den Regen zu rennen ist so viel angenehmer mit der Aussicht auf einen beheizten Raum und heißen Tee!
Die Gastwirtin und ihre Familie, die die Bar seid Generationen betreiben sind meine absoluten Helden der Reise!
Am Nachmittag hört es tatsächlich noch auf zu regnen. Aufgewärmt und mit fast trockener Ausrüstung geht es weiter. Wir nehmen eine etwas andere Route als geplant. Erneut geht es durchs Tal, denn
wir müssen noch Proviant kaufen. Auf dem Weg sehen wir eine überfahrene, ca. einen Meter lange Schlange. Wibke ist schockiert, dass es so etwas in den Alpen gibt. Ich bin zugegebenermaßen auch
etwas irritiert, weniger wegen der Schlange selbst, als wegen ihres Mageninhaltes, der um sie verteilt ist: Er besteht ausschließlich aus Kirschkernen. Eine Schlange, die sich von Kirschen
ernährt, ist mir unbekannt. Hat jemand eine Idee, was das war?
Im Supermarkt fühlen wir uns wie im Schlaraffenland. Das Sortiment in Italien ist eindeutig besser, als das in Österreich!
Mit Brot, Käse, Speck und typisch italienischem Frühstück (eine 700 Gramm Packung Kekse und ein Kuchen) ausgestattet, machen wir uns an den letzten Aufstieg.
Die Berge hier sind kleiner als zuvor und die Täler liegen tiefer. Wir sind fast wieder auf normaler Höhe. Die Alpenüberquerung ist fast geschafft.
Trotzdem ist der Anstieg sehr steil. Deshalb machen wir auch gleich mal Pause, um den Kuchen zu probieren. Der ist leider zu bröselig, um ihn wieder einzupacken, weshalb wir uns gezwungen sehen, ihn im Ganzen zu verschlingen.
Es wird langsam dunkel. Wir suchen nach einer Übernachtungsmöglichkeit, doch am steilen Hang lässt sich das Zelt nicht aufbauen.
Schließlich finden wir eine kleine Steinhütte. Davor steht eine Infotafel. Der Weg wurde angelegt, weil die Gegend unter uns extrem trocken ist und die Landwirtschaft ohne Bewässerung unmöglich
gewesen wäre. Entlang des Weges verläuft die Wasserleitung und die Hütte diente ihren Erbauern als Unterkunft.
Ironisch das Schild im Regen zu lesen.
Die kühle Steinhütte wirkt auf den ersten Blick nicht besonders einladend, doch als wir etwas Licht in Form eines Grillanzünders machen und unsere Matratzen ausgebreitet haben, wirkt sie richtig gemütlich.
Die wahre Pracht offenbart sich uns allerdings draußen. Auf einer Bank mit Blick ins Tal sitzen wir noch lange, um die Kekse aus dem Supermarkt und Feigen, die die Wirtin uns
mitgegeben hat, zu essen.
Das Tal zwischen den schwarzen Bergen liegt uns als ein funkelndes Lichtermeer zu Füßen.
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